Über Verbesserungen

So wie ein Gedicht weit über den Satzbau und die Grammatik hinausgeht, so lassen sich die Sinneseindrücke, die ein Wein erwecken kann, nicht durch Begriffe und Daten vermitteln. Es ist sehr oberflächlich, einen Wein anhand seiner chemischen Zusammensetzung oder seiner önologischen Machart oder mittels standardisierten Verkostungsschemata zu beschreiben.
Wein ist sicherlich eines der komplexesten Produkte, die es gibt, und im Glas schließt sich ein sehr langer Prozess, der durch eine außergewöhnliche Vielschichtigkeit seiner Komponenten bestimmt wird. Erst auf dem Land und dann in der Kellerei tragen unendlich viele Verwandlungen und Reaktionen zu etwas bei, das nicht als Endergebnis bezeichnet werden kann, sondern das sich in den folgenden Jahren in ständiger Veränderung befindet.
Aber mal abgesehen von dem persönlichen Geschmack, wo entsteht der Unterschied zwischen einem guten und einem schlechten Wein, oder besser noch, zwischen einem guten und einem exzellenten Wein? Welches sind die Unterschiede beim Erzeugungsprozess, die ein überlegenes Endprodukt ausmachen?
Angenommen ein Weinerzeuger, der die besten önologischen und agronomischen Praktiken kennt, möchte eine Veränderung im Prozess der Trauben- oder Weinproduktion ausprobieren, weil er sich davon eine Verbesserung seines Endproduktes verspricht: wie kann er diese Veränderung schließlich im Glas am Geschmack oder dem Duft erkennen?
Zu entdecken, wie eine bestimmte Veränderung den Wein im Vergleich zu dem der vorherigen Jahre beeinflusst hat, ist in Anbetracht der wechselnden klimatischen Voraussetzungen eines jeden Jahrgangs eine alles andere als leichte Herausforderung.
Die Neudefinition des eigenen Erzeugungsprozesses zum Zweck der Qualitätssteigerung kommt dem Gang auf einem verschlungenen, mühsamen Pfad gleich, auf dem man ahnt, ausprobiert, experimentiert und auch mal scheitert.
Normalerweise bedarf es ganzer Generationen, um höchste Kompetenz zu erlangen und in der Lage zu sein, Weinberg und Jahrgang angemessen zu interpretieren und sensationelle Weine zu erzeugen.
Seit Entstehung der Azienda Agricola Inama 1991 war es unsere Entscheidung und unser Stolz, uns ausschließlich auf unsere Kenntnis und Intuition zu stützen. Dieser Ansatz ermöglichte es uns, unseren eigenen Stil zu entwickeln und unsere Weine dadurch zu kennzeichnen, dass wir unserer Vision des Anbaugebietes folgten, wobei wir manchmal auch etwas Neues schufen.
Trotzdem sind wir schrittweise zur der Schlussfolgerung gelangt, dass auch die Unterstützung durch zusätzliche Kompetenz und Erfahrung von außen für unser weiteres Verbesserungsbestreben notwendig ist.
2015 gesellte sich Lorenzo Manfreda, einer der größten Experten für die Erziehung von Rebstöcken und die Bewirtschaftung der Weinberge, definitiv zu unserem Team. Dank seiner agronomischen Kenntnis und der gemeinsam mit ihm umgesetzten Praktiken konnten wir deutliche Fortschritte in der Bearbeitung der Böden und Weinberge machen, die zu Trauben mit mehr Ausdrucksstärke und Geschmack führten. Im gleichen Jahr wurde die Kellereileitung Alessandro Sterchele anvertraut, einem Önologen mit großer Erfahrung in der Weinbereitung von exzellentem Soave Classico.
Mit dem Bewusstsein für das große Potenzial der Colli Berici haben wir in 2017 entschieden, die Kompetenz der Derenoncourt Consultants ​- Gruppe zu nutzen. Die Verbindung unserer Kenntnis des Anbaugebietes mit ihrer enormen Erfahrung im Anbau von Bordelaiser Rebsorten veranlasste uns, einen Optimierungsprozess in der Parzellen-Bewirtschaftung zu beginnen. Eine sorgfältige Analyse der unterschiedlichen Beschaffenheit des Lehms in den Weinbergen, eine optimierte Selektion des hochwertigsten Traubengutes und die Verbesserung einiger Extraktionsprozesse stellen die größten Herausforderungen dieser Zusammenarbeit dar.

Anmerkungen zum „biologischen“

In jüngster Zeit gehört zu den Argumenten, die von Winzern am meist diskutiert und gebraucht werden, der biologische Weinbau. Den vom Gesetz her definierten „biologischen“ Wein gibt es noch nicht, aber das Wort „biologisch“, dicht gefolgt von „biodynamisch“, liegt auf den Zungen der Erzeuger, Weinliebhaber, Journalisten etc., etc.
Wir selbst besitzen die biologische Zertifizierung für unsere Weinberge zur Rotweinerzeugung. Somit stammen die Weine Carmenere Più, Bradisismo, Oratorio di San Lorenzo und Campo del Lago aus biologischem Anbau.
Bewusst verwenden wir dieses Thema nicht als Verkaufsargument. Oder besser gesagt, wir freuen uns, mit jedem darüber zu sprechen, der uns um Auskünfte bezüglich der Eigenschaften unserer Weine und unserer Produktionsphilosophie bittet. Wir finden es allerdings fragwürdig, diese Argumente kommerziell zu nutzen, als eine weitere Angabe auf der Etikette.
Die Überlegungen, die hinter dieser Entscheidung stehen, ergeben sich aus einer Betrachtungsweise des Weins, die ich im Folgenden zusammenfasse.

In den letzten dreißig Jahren führte der beispiellose Wein-Boom zu einem schwindelerregend wachsenden Interesse. Stilrichtungen, Moden, alte und neue Anbaugebiete, Rebsorten und Philosophien wechseln sich in rascher Folge auf dem Markt ab.
Dies hat zu einer „Anpassung” des modernen Weins an eine Vielzahl anderer Konsumgüter geführt, die häufig ihre Ausstattung und Etikette ändern müssen, um das Interesse des Konsumenten zu wecken.
Allerdings ist es interessant festzustellen, dass die großen Wein-Klassiker, vor allem die französischen, von diesem Verlauf unbeeindruckt bleiben und ihre deutliche Identität bewahren, ohne eventuelle agronomische oder önologische Veränderungen unmittelbar zu kommunizieren. Viele von ihnen werden schon seit langem aus biologischen oder ähnlichen Trauben erzeugt, aber es fehlt ein direkter Verweis darauf. Der Grund dafür liegt darin, dass man den Konsumenten nicht davon ablenken möchte, was das eigentliche Ziel unserer Arbeit ist: die Güte des Weins.
Jegliches Adjektiv wie biologisch, biodynamisch, natürlich, etc. beweist an sich nicht die Güte eines Weines, aber es versetzt den Konsumenten in eine – vielleicht zu – positive Stimmung gegenüber dem Produkt, bevor er es überhaupt verkostet hat. Wie viele von uns haben Weine getrunken, die sich mit diesen Attributen schmückten, und sie am Gaumen dann als schlecht empfunden? Ich glaube, viele.
Deshalb tragen die Verwendung und Einführung neuer Adjektive im Namen einer größeren „Natürlichkeit” des Weines nicht dazu bei, den Gaumen des Konsumenten zu schulen, sondern sie verleiten ihn dazu, sich einer neuen, wenn auch gesunden, Mode zu zuwenden, die sicher nicht die Güte des besagten Weines besiegelt. Ideal wäre genau die gegenteilige Vorgehensweise: eine „blinde“, wir würden sogar sagen, eine etwas abgelenkte Verkostung, aus der die Güte deutlich und eher unerwartet hervorgehen muss.
Gute agronomische und önologische Praktiken sind für diesen Zweck mit Sicherheit notwendig. Aber sie bieten dafür keine Garantie.

Stefano Inama

Der heimische boden und der Soave Classico

Was ist der Vulkanboden? Es ist schlicht der heimische Boden, der ursprüngliche, der direkt dem glühenden Mantel unter der Erdkruste entspringt.
Aktive Vulkane spuken noch heute sehr viel Lava aus. Aber der vulkanische Boden macht nur 1% der Erdoberfläche aus. In Italien entspricht diese Oberfläche hingegen 4-5% des nationalen Gebietes. Warum so wenig?
Mit der Zeit verändert sich der vulkanische Boden und bietet die Grundlage für lauter andere Bodenarten. Deshalb könnte man die vulkanische Erde als die „Mutter“ der anderen Bodentypen bezeichnen.

 
Und was ist so besonders an der vulkanischen Erde?
Die Mineralien in ihrer ursprünglichen Art, die den Pflanzen bestimmte Komponenten verleihen. Im Fall der Traube beeinflussen sie sehr den Geschmack des Weins, der eine typische mineralische und florale Note erhält.
Die antiken Römer waren sich dessen sehr bewusst und wählten deshalb den Weißwein, der auf Vulkanböden entstand, als beispielhaft für seine Güte.
In Zentral- und Süditalien ist der Vulkanboden sehr präsent, zum Beispiel in den Gegenden um Rom und Napoli, im Norden von Latium, auf Sizilien (im Gebiet vom Ätna und dem der Monti Iblei), auf den kleinen Inseln im Süden und im Vulture-Gebiet in der Basilikata.
Aber im Norden gibt es kaum Vulkanböden außer in dem Gebiet des Soave Classico und in wenigen anderen kleinen Zonen.
Aus diesem Grund pflanzten die antiken Römer, als sie in den Norden Italiens kamen, zuerst Weinreben in der Gegend, die schließlich zum Classico-Gebiet des Soave werden würde.
Wir verfügen also über ein außergewöhnliches und urtümliches Vermächtnis historischer und kultureller Bedeutung, das aber vor allem unnachahmliche Geschmäcker und Düfte mit sich bringt, die dieser Wein in sich bewahrt.

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